Das Landgericht München bremst OpenAI und seine Künstliche Intelligenz ChatGPT. Die Nutzung von Liedtexten durch den US-Konzern verstößt in den Augen der Richter gegen das Urheberrecht. Sie gaben damit einer Klage der deutschen Verwertungsgesellschaft Gema in weiten Teilen recht, die konkret wegen neun Liedern geklagt hatte - darunter bekannte Titel wie «Männer» von Herbert Grönemeyer, «Über den Wolken» von Reinhard Mey, «In der Weihnachtsbäckerei» von Rolf Zuckowski und «Atemlos», das zwar vor allem in der Interpretation von Helene Fischer bekannt ist, dessen Text aber von Kristina Bach stammt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Texte waren zum Training von ChatGPT verwendet und auf einfache Anfragen an das System exakt oder zumindest weitgehend identisch wieder ausgegeben worden. Das wertete das Gericht als Beleg dafür, dass die Texte in den Systemen von OpenAI gespeichert worden waren.
Es verurteilte OpenAI unter anderem dazu, es zu unterlassen, die Texte zu speichern und in seinen Modellen auszugeben, zu Schadenersatz und dazu, Informationen über die Nutzung und damit erzielte Erträge herauszugeben. In einem Seitenaspekt entschied das Gericht gegen die Gema. Sie hatte auch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Künstler beklagt, weil die Texte verändert ausgegeben wurden. Dies sah das Gericht aber nicht so. Die Texte seien wiedererkennbar, betonte es.
Memorisiert oder nicht?
Dass die KI mit den neun Lieder trainiert wurde, war in dem Prozess (Aktenzeichen 42 O 14139/24) unstrittig. Was danach passierte, war allerdings eine zentrale Frage. Wurden die Daten der Lieder memorisiert - also abgespeichert und damit vervielfältigt oder führte das Training mit den Daten dazu, dass ChatGPT die Liedtexte neu erzeugte, ohne sie abgespeichert zu haben.
Das Gericht positionierte sich eindeutig und wertete die Tatsache, dass das System die Texte, mit denen es trainiert worden war, wieder ausgab, als Beleg dafür, dass es die Texte memorisiert haben muss. Eine zufällige Ausgabe sei ausgeschlossen.
Die Vorsitzende Richterin Elke Schwager fasste die Entscheidung am Ende ihrer Urteilsbegründung bildlich zusammen: Man habe eine hochintelligente Beklagte, die in der Lage sei, modernste Technologien zu entwickeln. Da mute es doch erstaunlich an, dass sie nicht erkenne: Wenn man etwas bauen wolle und Bauteile brauche - «dann erwerben Sie sie und nutzen nicht das Eigentum anderer.»
Gema zufrieden - OpenAI nicht
In diese Richtung geht auch die Gema, die mit ihrer Klage vor allem erreichen will, dass Lizenzen für die Nutzung der Liedtexte abgeschlossen werden. «Was die Beklagte macht, ist nichts anderes, als was andere Dienste im Internet machen, die eine Lizenz von den Rechteinhabern, deren Werke sie nutzen, erwerben müssen», sagte Chefjustiziar Kai Welp. Er gehe davon aus, dass das Urteil eine Signalwirkung für ganz Europa haben werde.
Von OpenAI hieß es dagegen, man widerspreche dem Urteil und erwäge weitere Schritte. Die Entscheidung betreffe ein begrenztes Set an Liedtexten und habe keine Auswirkungen auf die Nutzer. Man respektiere die Rechte der Urheber und Rechteinhaber.
Auswirkungen bis weit über Liedtexte hinaus möglich
Es gilt als wahrscheinlich, dass das Urteil angefochten und noch weitere Instanzen beschäftigen wird. Die letztendliche Entscheidung könnte Auswirkungen weit über Liedtexte hinaus haben, wie die Expertin Silke von Lewinski vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb vor der Entscheidung erklärt hatte. Sie sieht «grundlegende Bedeutung für alle Werke, sei es Literatur, journalistische Texte, Musik, bildende Kunst, Fotografie oder jegliche andere Werke, die für Generative KI benutzt werden. Hier geht es darum, wie die schon jetzt existierenden Gesetze auszulegen sind.»
Sollte die Gema auch in der letzten Instanz gewinnen, würde dies die Machtverhältnisse zwischen Kreativwirtschaft und den Technologieunternehmen ein Stück weit zugunsten der Urheber und anderer Rechteinhaber verschieben, zeigte sie sich überzeugt. «Bevor ein Text für Generative KI genutzt werden kann, müssten die Rechteinhaber dann ihre Zustimmung geben und hätten die Möglichkeit, dafür eine Vergütung zu erhalten.»
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