Der Fall zählt zu den bekanntesten Kriminalfällen Deutschlands: Die damals neun Jahre alte Peggy verschwindet im Mai 2001 auf dem Heimweg nach der Schule im oberfränkischen Lichtenberg (Landkreis Hof) spurlos. Erst 2016 wird ihre Leiche in einem Waldstück in Thüringen an der Grenze zu Bayern entdeckt. Ein Täter ist bis heute nicht überführt.
Mehr als 20 Jahre nach dem Verschwinden des Mädchens fordert die Mutter von einem ehemaligen Verdächtigen 75.000 Euro Schmerzensgeld. In einer Zivilklage führt die Frau an, dass sie aufgrund von Aussagen des ehemaligen Verdächtigen während einer Vernehmung über 15 Jahre im Unklaren über den Verbleib ihres Kindes gewesen sei. Dadurch habe sie psychische Beeinträchtigungen erlitten - für jedes Jahr der Ungewissheit fordert sie 5.000 Euro.
Eine Zivilkammer des Landgerichts Hof hatte die Klage der Mutter vor einem Jahr als unbegründet abgewiesen. Da die Frau Berufung einlegte, muss sich nun das Oberlandesgericht (OLG) in Bamberg damit beschäftigen.
Beklagter zog seine Aussage zurück
Der damals 41 Jahre alte Beklagte hatte 2018 bei Vernehmungen angegeben, Peggys Leiche im Mai 2001 in ein Waldstück geschafft zu haben. Zuvor habe er den leblosen Körper des Mädchens von einem anderen Mann an einer Bushaltestelle in Lichtenberg entgegengenommen. Bei seiner Vernehmung soll der Mann allerdings unter Druck gesetzt worden sein. Die Polizei bestritt dies zwar, doch der Mann widerrief sein Geständnis und kam auf freien Fuß.
«Keine Indizien, die eindeutig auf den Beklagten hinweisen»
Zur Verhandlung vor dem OLG ordnete die Zivilkammer an, dass beide Parteien persönlich erscheinen. Zunächst gab die Vorsitzende Richterin in einer vorläufigen Bewertung jedoch zu erkennen, dass sie die Klage der Mutter von Peggy ebenfalls für unbegründet hält. Es gebe keine Indizien, die eindeutig auf den Beklagten hinwiesen, sagte die Richterin. Seine damaligen Aussagen seien in mehreren Punkten widersprüchlich und durch Ermittlungen zum Teil klar widerlegt. So geht das Oberlandesgericht derzeit davon aus, dass der ehemalige Verdächtige seine Aussage glaubhaft zurückgezogen hat.
Es sei durchaus nachvollziehbar, dass der Mann bei der damals mehr als zehn Stunden dauernden Vernehmung zunächst falsche Angaben gemacht habe, um sich der für ihn unangenehmen Situation zu entziehen, sagte die Vorsitzende Richterin.
Mutter von Peggy: Hätte nie falsche Angaben gemacht
Die Mutter von Peggy wandte ein, dass auch sie wiederholt über Stunden zum Verschwinden ihrer Tochter befragt worden sei. Nie wäre sie jedoch auf die Idee gekommen, falsche Angaben zu machen. Sie habe wegen des Beklagten über Jahre nicht mit der Trauer über den Tod ihrer Tochter abschließen können. Anders als in einem Strafverfahren muss die Klägerin in dem Zivilprozess selbst Beweise für ihre Forderungen vorlegen.
Der Anwalt des Mannes sprach dagegen von «einem klassischen Fall eines falschen Geständnisses». Der Beklagte selbst sagte: «Ich hab' einfach nichts verbrochen.» Er könne nur sagen, dass er damit nichts zu tun habe. Er habe sich über Jahre mit Anfeindungen und falschen Verdächtigungen auseinandersetzen müssen und wolle damit endlich abschließen. Ein Urteil soll am 14. August verkündet werden.
Mord an Peggy ist bis heute ungeklärt
Wer für den Tod des Mädchens in dem sogenannten Cold Case verantwortlich ist, konnte bislang nicht abschließend geklärt werden. Nur wenige Jahre nach dem Verschwinden des Mädchens wurde 2004 ein geistig behinderter Mann aus Lichtenberg als Peggys Mörder verurteilt, in einem Wiederaufnahmeverfahren kam er zehn Jahre später wieder frei. Nachdem 2018 auch der Tatverdacht gegen den damals 41-Jährigen nicht mehr bestand, stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Oktober 2020 ein. Im April 2021 folgte die Beisetzung der sterblichen Überreste des Mädchens an einem geheimen Ort.
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