Unweit der idyllischen Gemeinde Reichling am Ammersee hört man lautes Brummen. Ein etwa 40 Meter hoher Bohrturm ragt in den Himmel, Lastwagen transportieren Bohrrohre auf das Gelände. Direkt neben der Gemeinde im Landkreis Landsberg soll Erdgas gefördert werden. Wann genau die Bohrarbeiten starten werden, ist weiter unsicher - klar ist: Lange dauern kann es nicht mehr. In der Gemeinde und bei Umweltschützern ist das Projekt sehr umstritten. Immer wieder hatte es Proteste gegeben.
Auf einem angrenzenden Acker, direkt gegenüber von der Baustelle, stehen Ute Steininger und Claudia Danner, beides Anwohnerinnen von Reichling. Sie machen sich Sorgen um Umweltschäden für ihr Trinkwasser, sei es durch die Förderung als auch durch Unfälle oder Störungen rund um den Bohrplatz über der Erde. Denn in direkter Nähe zum Bohrloch ist die Trinkwasserquelle des Ortes. «Diese Gasbohrung ist sieben oder neun Meter über diesem Wasserspiegel und das finden wir schon sehr bedenklich, weil man weiß, dass das Wasser zu unserer Quelle weiterläuft», sagt Steininger.
Sorgen um Auswirkungen für kommende Generationen
Die beiden Frauen engagieren sich in einer Bürgerinitiative gegen das Projekt. Für den 16. August haben sie eine Demonstration angemeldet. «Wir haben einfach als Anwohner nichts davon, außer den Dreck, das ganze Risiko für unser Grundwasser und eben dann den Verkehr und die Beleuchtung des Bohrturms.» Da seien natürlich viele im Ort dagegen. Den beiden geht es auch um die möglichen Auswirkungen für kommende Generationen: «Wir leben ja hier, wie wenn es kein Morgen geben tät», sagt Steininger. Das Unternehmen hatte seinerseits immer betont, es bestehe keine Gefahr für die Umwelt.
Bürgermeister will sich nicht äußern
Unterstützung bekommt die Bürgerinitiative unter anderem von Greenpeace. «Was hier in Reichling passiert, ist Unrecht. Jede weitere Gasbohrung erhitzt unsere Erde weiter», kritisiert Georg Thanscheidt, Sprecher von Greenpeace Bayern. Man fordere die Bayerische Staatsregierung dazu auf, diese und alle weiteren Gasbohrungen zu stoppen.
Der Bürgermeister der Gemeinde, Johannes Hintersberger (CSU), wollte sich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nicht zu dem Förderprojekt äußern. Da es sich nach wie vor um ein Bundes- und Landesthema handele, enthalte man sich als Gemeindeverwaltung jeglicher Meinungsäußerung. Vor Demonstrationen im Mai hatte Hintersberger die Umweltschützer im örtlichen Gemeindeblatt noch als «Terroristen» bezeichnet. Das Münchner Verwaltungsgericht hatte ihm den Ausdruck daraufhin untersagt.
Probebohrung soll zeigen, ob Gas gefördert werden kann
Hinter den Förderplänen steht die «Energieprojekt Lech Kinsau 1 GmbH», die zu 80 Prozent im Besitz der MRH Mineralöl-Rohstoff-Handel GmbH mit Sitz in Düsseldorf ist und zu 20 Prozent von der Genexco GmbH gehalten wird. Ein Sprecher des Projekts sagte auf Anfrage der dpa, dass für die Erkundungsbohrung vier Wochen eingeplant seien. Sollte diese erfolgreich sein, plant das Unternehmen eine Förderung von Erdgas über zehn bis 15 Jahre. Es wird eine Gasmenge von 400 bis 500 Millionen Kubikmetern vermutet, diese könnte in der Förderzeit den heimischen Gasbedarf von 10.000 bis 15.000 Haushalten decken.
Der genaue Beginn der Arbeiten stehe nicht fest, sagte der Sprecher. Ursprünglich hatten die Bohrarbeiten im ersten Quartal 2025 beginnen sollen, hatten sich aber immer wieder verzögert.
Kaum Erdgasförderung in Deutschland
Mit 96 Prozent wird der Gas-Bedarf in Deutschland fast vollständig aus Importen gedeckt, wie die Gas- und Wasserstoffwirtschaft e.V. auf Anfrage der dpa mitteilte. Zahlen des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) zufolge wurden im Jahr 2024 in Deutschland 4,2 Kubikmeter Erdgas gefördert, mehr als 98 Prozent davon in Niedersachsen.
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