Ein Schwächeanfall, ein Unfall mit Verletzten oder ein brennendes Gebäude: Wer die Notrufnummer 112 wählt, ist oft in einer extremen Stresssituation. Noch schwieriger wird es, wenn man schlecht Deutsch spricht und verzweifelt nach den richtigen Worten sucht. Die Integrierte Leitstelle (ILS) Bayreuth/Kulmbach testet derzeit eine Lösung für dieses Problem: Als erste Notrufzentrale Bayerns setzt sie in einem Pilotversuch eine Software ein, die aus rund 400 verschiedenen Sprachen und Dialekten übersetzen kann.
Das mit Künstlicher Intelligenz (KI) unterstützte Programm «Asgard» könne auch die Antworten und Rückfragen des Disponenten in der Leitstelle in die Sprache der anrufenden Person übersetzen, teilte das Bayerische Rote Kreuz (BRK) Bayreuth mit. Die bisherigen Erfahrungen mit dem System seien durchweg positiv, betonte Tobias Schif, Pressesprecher des BRK-Kreisverbands Bayreuth: «Das Tool erleichtert die Kommunikation mit nicht deutschsprachigen Anruferinnen und Anrufern erheblich und trägt dazu bei, Sprachbarrieren im Notrufgespräch schnell zu überwinden.»
Software wandelt gesprochene Sprache in Text um
Das System erfasse und analysiere die Worte des Anrufers, erkenne automatisch die Sprache und wandle das Gesprochene in Text um. Dieser erscheine auf dem Bildschirm des Disponenten in der Notrufzentrale. «Auf dieser Basis kann der Disponent über Freitexteingaben, vorbereitete Textbausteine oder durch eigene Spracheingabe direkt mit dem Anrufenden kommunizieren», erklärt Tobias Schif. Denn gerade in Notfallsituationen falle es vielen Menschen leichter, die Ereignisse in ihrer Muttersprache zu schildern.
Vorsicht sei generell bei Orts- oder Straßennamen geboten - insbesondere, wenn diese in einer anderen Sprache oder mit starkem Akzent ausgesprochen würden. «In solchen Fällen sind weiterhin das geschulte Gehör und die Erfahrung der Disponentinnen und Disponenten gefragt, die den Kontext einordnen und nachfragen können», sagt der BRK-Sprecher.
Freistaat testet, welche Systeme gut funktionieren
Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums testet die ILS Bayreuth/Kulmbach das Übersetzungsprogramm im Rahmen des Pilotprojekts «KI-gestützte Notrufabfrage», das vom Freistaat finanziell unterstützt wird. Das Einzugsgebiet der ILS umfasst die Stadt Bayreuth und die Landkreise Bayreuth und Kulmbach.
«Innovative Neuerungen, deren Anwendung zielführend ist und bestehenden Qualitätsstandards entspricht, sollen stets zeitnah in alle 25 bayerischen ILS übernommen werden können», teilt eine Ministeriumssprecherin mit.
An der Staatlichen Feuerwehrschule im oberbayerischen Geretsried führe der Freistaat zurzeit Funktionstests durch, um herauszufinden, welche Systeme gut funktionierten. Dabei werde die Echtzeitübersetzung unter anderem in Bezug auf IT-Sicherheit überprüft, sagte die Sprecherin des Innenministeriums. Ob und wann KI-Übersetzungsprogramme bayernweit bei der Notrufannahme zum Einsatz kämen, sei derzeit noch offen.
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