Schon wieder kommt der November mit vielen Facetten um die Ecke, besonders was die aktuelle Lage des bayrischen Wirtschaftsstandorts betrifft. In den Vorstandsetagen bayrischer "Hidden Champions", jener Weltmarktführer im Allgäu, in Oberfranken oder der Oberpfalz, herrscht eine seltsame Stimmung. Draußen läuft die Wirtschaft auf Hochtouren, die Auftragsbücher sind voll. Drinnen blickt man mit Sorge auf die demografische Kurve. Der "Silver Tsunami" ist da: Die Babyboomer, das Rückgrat des bayrischen Wirtschaftswunders, verabschieden sich in den Ruhestand.
Und die Nachfolger? Die "Generation Z", also halt jene jungen Talente, die jetzt auf den Arbeitsmarkt strömen, wirken manchmal immer noch wie ein Rätsel. Sie sind die erste Generation von "Digital Natives", die mit dem Smartphone in der Hand aufgewachsen sind. Sie sind bestens ausgebildet, selbstbewusst und sie haben in der Pandemie gelernt, dass Arbeit nicht alles ist.
Für den traditionellen bayrischen Mittelstand, oft patriarchalisch geführt und auf Präsenzkultur getrimmt, ist das ein krasser Kulturschock, keine Frage. Der "Fachkräftemangel", über den die IHKs in München und Nürnberg seit Jahren warnen, ist kein reines Zahlenproblem. Er ist ein Kulturproblem. Und die heimische Wirtschaft muss jetzt "agil" werden, aber pronto.
Warum der BMW-Dienstwagen nicht mehr zieht
Lange Zeit war die Formel in Bayern einfach: Guter Abschluss, Einstieg bei einem großen Namen wie BMW, Siemens oder Audi oder einem soliden Mittelständler, 40-Stunden-Woche, sicherer Aufstieg, Dienstwagen, Bausparvertrag. Dieses Modell ist, zumindest als primärer Anreiz, tot.
Die "Asset-Klasse Gen Z", wie Personalberater sie nennen, hat andere KPIs, also Leistungskennzahlen. In Umfragen rangieren "Work-Life-Balance", "Mentale Gesundheit", "Flexibilität" und "Sinnhaftigkeit der Arbeit", der sogenannte Purpose, regelmäßig vor dem reinen Gehalt.
Ein bayrischer Unternehmer, der sich wie so oft über die "mangelnde Leistungsbereitschaft" der Jugend beschwert, hat den "Shift" nicht verstanden. Diese Generation ist nicht faul. Sie ist nur nicht mehr bereit, ihre gesamte Lebensenergie für ein System zu opfern, das ihr im Gegenzug "nur" Geld bietet. Sie wollen das "Vollpaket".
Diese Generation ist nicht nur im Berufsleben, sondern auch in ihrem Konsum- und Freizeitverhalten global vernetzt und digital geprägt. Sie bewegt sich in einer Welt, in der Anreize klar kommuniziert, emotional aufgeladen und oft übersteigert präsentiert werden. Der Wettbewerb um ihre Aufmerksamkeit ist gnadenlos: In Bereichen wie E-Commerce, Gaming oder digitalem Entertainment wird um jeden Klick gekämpft, jeder Moment der Interaktion zählt. Hier regiert der Algorithmus, der den ROAS (Return on Ad Spend) maximiert, und Erfolg wird in Echtzeit gemessen.
Ein Online-Portal, das in diesem hyperkompetitiven Umfeld überleben will, setzt daher nicht auf bescheidene Werteversprechen, sondern auf animiere Anreizmechanismen – beispielsweise Angebote, die mit 300% Bonus ausgestattet sind, wie man sie aus der Welt der Online-Casinos kennt. Solche überproportionalen Belohnungen signalisieren: Sofortige Gratifikation, kein Abwarten. Diese Logik prägt das Denken und die Erwartungshaltung vieler junger Menschen, und sie übertragen diese unbewusst auch auf den Arbeitsmarkt. Sie erwarten dort ähnliche Strukturen: klare Vorteile, schnelle Reaktionen und unmittelbare Belohnung für ihr Engagement.
Der ROI auf mentale Gesundheit
Was also ist das "Vollpaket", das bayrische Unternehmen schnüren müssen? Das Fundament bleibt: Bayern ist teuer, besonders der Speckgürtel München. Eine faire, überdurchschnittliche Bezahlung ist die "Baseline", die Grundvoraussetzung.
Der entscheidende Unterschied wird im "New-Work"-Faktor gemacht. Es geht um Vertrauensarbeitszeit statt Stechuhr, um Home-Office-Möglichkeiten auch im ländlichen Raum und um echte Sabbatical-Optionen. Wer seine Mitarbeiter wie Kinder behandelt, bekommt auch nur Kinder oder eben gar keine.
Der "Game-Changer" ist jedoch der "Purpose". Warum machen wir das hier eigentlich? Junge Talente wollen wissen, welchen Beitrag das Unternehmen leistet. Ist es nachhaltig? Ist die Führungsebene transparent? Gibt es Raum für eigene Ideen oder nur "Dienst nach Vorschrift"? Der "Return on Investment", kurz ROI, für diese Investition ist massiv. Unternehmen, die auf mentale Gesundheit achten und "Purpose" bieten, haben eine signifikant niedrigere Fluktuation. Und in Zeiten des Fachkräftemangels ist jeder Mitarbeiter, der nicht kündigt, pures Gold wert.
Der Kampf um das Allgäu
In München ist die Konkurrenz, ganz banal gesagt, echt brutal. Hier kämpft der bayrische Mittelstand direkt gegen globale Tech-Giganten wie Google, Apple oder Microsoft. Das Gehaltsniveau ist astronomisch, die Benefits wie kostenloses Essen oder Fitnessstudios sind Standard. Hier kann man nur gewinnen, wenn man schneller, menschlicher und "bayrischer" im Sinne von Verlässlichkeit ist als die US-Konzerne.
Im ländlichen Raum, zum Beispiel im Allgäu, in Oberfranken oder Niederbayern, ist der Feind ein anderer: Er heißt "100% Remote". Warum soll ein 25-jähriger Top-Entwickler nach Vilshofen ziehen, wenn er denselben Job für ein Berliner Start-up von seiner Couch in Augsburg aus machen kann? Mittlerweile denken auch echt mehr als 71% der Gen Z, dass das Büro gar nicht mehr so gefragt ist.
Hier müssen die bayrischen "Hidden Champions" ihre wahren Stärken ausspielen. Das ist oft die Lebensqualität. Sie müssen ein Paket schnüren, das aus gutem Gehalt, bezahlbarem Wohnraum plus Natur und einem echten "Impact" im Unternehmen besteht. Sie bieten nicht Anonymität, sondern Verantwortung.
Ist der bayerische Mittelstand "Zukunfts-Fit"?
Der bayrische "Grantler" mag über die Gen Z schimpfen, aber der smarte Unternehmer hört zu. Der Fachkräftemangel ist kein Schicksalsschlag, er ist ein Marktsignal. Er signalisiert, dass sich die Währung im Tausch "Lebenszeit gegen Geld" verschoben hat.
Die Haltung "Mia san Mia" bedeutet nicht, stur an alten Zöpfen festzuhalten. Sie bedeutet, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und sich selbstbewusst anzupassen. Die bayrischen Unternehmen, die jetzt in "Purpose" statt nur in "Prozesse" investieren, werden die Gewinner dieses Wandels sein. Sie sichern nicht nur ihre Auftragsbücher, sondern das Fundament des bayerischen Wirtschaftserfolgs.