Gut 41 Jahre nach dem gewaltsamen Tod einer angehenden Krankenschwester in Unterfranken hat ihr mutmaßlicher Mörder die Tat gestanden. Das teilten die Ermittler mit. Der heute 66-Jährige war jahrzehntelang weltweit gesucht worden - dabei lebte er etwa 16 Jahre lang unter falscher Identität in Aschaffenburg, also genau in der Stadt am Untermain, wo er seine Ex-Freundin namens Maria Köhler 1984 getötet haben soll.
Mit Deutscher verheiratet
«Das war für uns sehr überraschend», sagte Altfall-Ermittler Jörg Albert. «Das ist eine gewisse Form von Dreistigkeit. Deutschland ist groß, er hätte auch nach Berlin gehen können.»
Nach Polizeiangaben war der Verdächtige Mitte 1998 unter anderem Namen nach Deutschland eingereist - zusammen mit seiner deutschen Ehefrau, die er zuvor in der Türkei geheiratet haben soll. Im Landkreis Aschaffenburg soll er als Handwerker gearbeitet haben, mit Aufenthaltserlaubnis der deutschen Behörden. Ende 2014 sei der Mann ohne Staatsangehörigkeit dann in die Türkei ausgereist - angeblich, weil er Angst hatte, die deutsche Polizei werde ihn doch noch finden, sagte Albert mit Verweis auf Angaben des Beschuldigten.
Schal mutmaßlich die Tatwaffe
Der Verdächtige soll das Opfer am 30. Juli 1984 mit einem Schal in einem Wohnheim für angehende Krankenschwestern stranguliert haben. Die 19-Jährige hatte sich zuvor von dem 25-Jährigen getrennt und einen neuen Freund - einen im hessischen Hanau stationierten US-Soldaten. Die Ermittler vermuten, dass ihr Ex-Freund eifersüchtig war und deshalb Maria tötete.
Der Mann floh den Angaben zufolge nach der Tat von Frankfurt/Main aus in die Türkei, wo er geboren wurde. Zwei Tage später wurde das Opfer von einer Vorgesetzten gefunden.
Nur Mord nicht verjährt
Die Ermittler gehen von Mord aus - andere Verbrechen sind so lange nach der Tat bereits verjährt. Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh sieht derzeit die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe als gegeben.
Ihm zufolge hat der Verdächtige bei den deutschen Ermittlern rund drei Stunden lang umfangreiche Angaben zur Tat, zum Ablauf und seinen Beweggründen gemacht. «Zum Tatmotiv möchte ich keine Angaben machen», sagte Bundschuh. Die Informationen des Beschuldigten müssten erst überprüft werden.
Zudem werden Experten des Landeskriminalamtes eine DNA-Probe des Verdächtigen mit einer am Tatort gesicherten Spur vergleichen.
Jahrzehntelange Suche
Trotz internationaler Fahndung konnte der Verdächtige jahrzehntelang nicht festgenommen werden. Ende 2024 nahmen sich Altfall-Ermittler das ungelöste Verbrechen wieder vor. Die Öffentlichkeit wurde eingebunden, der Fall in der ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY… Ungelöst» vorgestellt. Parallel klemmten sich Polizisten an Familienmitglieder des 66-Jährigen.
«Wir haben sukzessive immer weitere kleine Mosaiksteine bekommen», erläuterte Kriminalhauptkommissar Albert. Im April sei dann der Durchbruch erfolgt: «Wir wussten, wo er sich aufhält, was er den ganzen Tag macht.»
Im Juli konnte der mutmaßliche Täter schließlich in der Türkei festgenommen und am 12. September nach Deutschland überstellt werden, wo er in Untersuchungshaft sitzt. Der Mann sei von der Türkei abgeschoben worden, erklärte Oberstaatsanwalt Bundschuh, weil er sich illegal in dem Land aufgehalten habe. Dort hatte er Jahre zuvor seine türkische Staatsangehörigkeit verloren, weil er sich dem Militärdienst verweigert habe.
Dankbare Familie
Die Familie des Opfers zeigte sich über den Fahndungserfolg erleichtert und dankte den Ermittlern. Eine Schwester Marias sagte: «Ich hoffe wirklich auf Gerechtigkeit. (...) Es kommt wieder alles hoch, als wäre das jetzt vor einem oder zwei Monaten passiert.»
Sie habe die Nachricht der Festnahme auch ihrer dementen Mutter erzählt - und die habe danach Tränen in den Augen gehabt. Nun setze die Familie darauf, dass der 66-Jährige bestraft werde. «Wir hoffen, dass es so weit kommt.»
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