Männer, die versuchen, sich gegenseitig über den Tisch zu ziehen und die hakeln, bis die Finger bluten. Zum 70. Mal tragen die bayerischen Fingerhakler ihre Meisterschaft aus. In einer Eishalle im oberbayerischen Mittenwald versuchen sie, sich gegenseitig mit nur einem Finger über den Tisch zu ziehen. Es gibt Würstchen und Bier, Blasmusik spielt, kaum jemand ist ohne Tracht da, von den Zuschauern nicht und von den Teilnehmern erst recht nicht.
Die Gewinner heißen hier Foos Franz, Fischer Korbinian, Sturm Gerhard oder Sturm Andreas - die Nachnamen immer zuerst, wie man das oft so sagt auf dem Land in Oberbayern. Bevor es losgeht, ziehen die Kontrahenten sich in eine ruhigere Ecke der Halle zurück, stemmen Gewichte mit einem Finger und reiben sich die Hände mit Magnesium ein, damit sie nicht schwitzen und im Zweifel abrutschen, wenn es ernst wird. Überall in der Halle werden bei denen, die ihren Wettkampf schon hinter sich haben, blutende Finger verarztet.
In insgesamt neun Klassen wird die Meisterschaft ausgefochten. Gekämpft wird im Leicht-, Mittel- und Schwergewicht sowie in verschiedenen Altersklassen - und es gibt regelrechte Fingerhakler-Dynastien.
Die Familie Sturm aus Issing im Landkreis Landsberg am Lech kann sich über gleich zwei neue bayerische Meister freuen. In der Leichtgewichtsklasse bis 70 Kilogramm gewinnt der 34 Jahre alte Andreas Sturm und in der Seniorenklasse über 60 sein 61 Jahre alter Vater Gerhard - beide unterstützt vom dreijährigen Sohn und Enkel Hannes, der Papa und Opa aus vollem Herzen anfeuerte und auch selbst schon mit dem Fingerhakeln angefangen hat.
Die beiden Sturm-Männer tun viel für den Erfolg, trainieren in Wettkampfphasen täglich - und verzichten auf Badeausflüge an den See oder in die Therme, damit die Hornhaut am Kampffinger ungestört wuchern kann und sich nicht auflöst.
Die Frauen in der Familie sind dagegen nur zur Unterstützung da. Anders als bei den österreichischen Nachbarn ist das Fingerhakeln in Bayern nämlich noch immer reine Männersache. Frauen sind zu den Wettkämpfen nicht zugelassen.
Mitmachen im Verein dürfen sie schon. Monika Wagner ist sogar Schriftführerin im Landesverband. Sie sei zwar emanzipiert, aber «Frauen müssen auch nicht überall mitmachen», sagt die 43-Jährige. «Das schaut nicht schön aus als Frau» - diese Hornhaut am Finger. «Und Magnesium auf dem Dirndl auch nicht.»
Die Gründe für den Ausschluss von Frauen sind historisch. «Das ist im Statutenheft für den bayerischen Landesverband festgelegt worden, dass das - wie es traditionell ist - bloß Männer betreiben», sagt Thomas Post. Der 23-Jährige ist erster Landesverbandsvorsitzender und damit Veranstalter der Meisterschaft.
Das Statutenheft ist zwar schon ein paar Jahrzehnte alt und wurde auch immer mal wieder geändert, der Frauenausschluss wurde dabei aber nicht angetastet. «Das ist schon eher eine Männerdomäne», sagt Post - und das Interesse von Frauen sei auch gar nicht so da. «Ich glaub’, dass es bei den Männern eher so ist, dass man sich mal gegeneinander misst und das Frauen das weniger machen.»
Anders sieht das die 29-jährige Linda, die ihren Freund zum Turnier begleitet. Sie ist begeistert vom Fingerhakeln. «Eine komplett andere Kultur» habe sie da kennengelernt. Aber im Grunde sei es schlicht diskriminierend, dass Frauen nicht mitmachen dürfen. Das mit den malträtierten Fingern will sie so auch nicht stehen lassen: «Ich spiel' Fußball. Wenn dann meine Knie kaputt sind oder mein Fuß, dann bin ich auch selber schuld. Dann sagt auch keiner was.»
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